Können wir bitte aufhören, distinktionsgeile, klassistische Lästereien als subversives Lachen gegen rechts zu verkaufen?

Es gibt viele gute Gründe über Rechte zu lästern und zu lachen. Wer eine Politik betreibt, die systematisch darauf zielt, ganze Gruppen von Menschen herabzuwürdigen, zu marginalisieren und zu diskriminieren, hat jede Kritik verdient, auch spöttische und polemische. Allzu oft geht jedoch etwas als lustige Kritik gegen rechts durch, das in erster Linie etwas ganz anderes ist, nämlich distinktionsgeile, klassistische Lästerei über weniger privilegierte Milieus. In den entsprechenden Witzen werden Rechte dann als dumme, faule, ungebildete, arbeitslose, hässliche, fette Nichtsnutze dargestellt, die über ihre eigene Unzulänglichkeit hinwegtäuschen wollen, indem sie gegen Andere hetzen.

Das damit gezeichnete Bild von Rechten ist dreifach falsch: Erstens verharmlost es die rechte Hetze und macht unsichtbar, dass diese nicht selten von Personen ausgeht, die ein privilegiertes, sozial abgesichertes Leben führen und über solide Bildungsabschlüsse verfügen. Zweitens verbreitet es bürgerlich-klassistische Ressentiments und Distinktionsbemühungen gegenüber „der Unterschicht“, indem die „gebildete“ Mittel- und Oberschicht als moralisch überlegen und „die Unterschicht“ als dumm und rassistisch dargestellt wird. Drittens werden mit dieser Empathielosigkeit reale Konkurrenzsituationen, denen weniger privilegierte Gruppen insbesondere auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt unsichtbar gemacht und als rassistische Ideologie abgetan.

Ein entsprechender Witz war vorgestern mal wieder bei Twitter sehr erfolgreich und wurde auch mir in die Timeline gespült. @Morbus_Laetitia twitterte:

Der Witz über die Habenichtse

Satirisch beißend soll das Motiv, „die Flüchtlinge“ nähmen „uns“ etwas weg als Ideologie entlarvt werden – ein lohnenswertes Unterfangen, das hier jedoch auf allen Ebenen schiefgeht.

Eine Person, die ihre Ängste vor Flüchtlingen artikuliert (nennen wir sie A), wird von einer anderen Person (nennen wir sie B) vorgeführt. Die Grundlage des ganzen Witzes ist, dass A sich beklagt, ihr werde etwas „weggenommen“, obwohl sie doch selbst „nichts hat“, das man ihr wegnehmen könnte. Wenn sich jemand über Habenichtse lustig macht, kann das eigentlich nur reaktionär werden und entsprechend geht es weiter: A beklagt sich darüber, dass die Flüchtlinge Arbeit wegnähmen, dabei – und das soll wohl witzig sein – hat sein selbst gar keine Arbeit! Seit 13 Jahren nicht – was gibt es schon Lustigeres als Langzeitarbeitslosigkeit?

Was bei solchen Witzen regelmäßig vergessen wird: Wenn irgendjemand in Deutschland reale Gründe hat, einen erhöhten Konkurrenzdruck aufgrund der neueren Migration zu befürchten, dann sind es gerade Menschen in Arbeitslosigkeit und in prekärer, unqualifizierter Beschäftigung. Wer einen sicheren Job oder einen Hochschulabschluss in der Tasche oder in Aussicht hat, kann es sich leisten, darüber zu lachen, beweist mit diesem Lachen aber nur die eigene Empathielosigkeit.

Denn ein Hochschulabschluss bedeutet wahrlich keine Arbeitsplatzgarantie, aber man kann sich doch relativ sicher sein, dass die Jobs, auf die man sich bewirbt, eher nicht mit Personen besetzt werden, die gerade frisch nach Deutschland kommen und zum größten Teil die Sprache nicht sprechen. Wer einen Abschluss in Öffentlicher Verwaltung, Sozialer Arbeit oder Deutsch als Fremdsprache hat, kann sogar davon ausgehen, dass die eigene Arbeitsmarktsituation sich durch die Migration verbessert. Für diejenigen, die sich auf unqualifizierte Berufe bewerben müssen, sieht es anders aus. Zudem sind gerade diese Milieus auch in anderen Bereichen am stärksten davon betroffen, dass der Konkurrenzdruck durch neu Angekommene steigt: Sei es an Tafeln, sei es auf der Suche nach bezahlbarem Wohnraum.

Vernünftigerweise sollte der Protest sich dann freilich nicht gegen „die Flüchtlinge“, sondern gegen die Arbeitsmarkt-, Sozial- und Wohnungsbaupolitik richten. Aber wer für die Angst vor Konkurrenz nur Spott übrig hat, entlarvt sich vor allem selbst als empathielos. „Die nehmen uns alles weg“, bleibt ein ideologischer Satz, aber der Spott über Arbeitslose, die ihn äußern, ist nicht weniger ideologisch, nur anders ideologisch.

In zugespitzter Form findet sich diese Empathielosigkeit in einem anderen Witz, der seit einiger Zeit zirkuliert (und vermutlich fälschlicherweise Louis C.K. zugeschrieben wird):

„Of course foreigners steal your job, but maybe, if someone without contacts, money, or speaking the language steals your job, you’re shit.“

Über einen solchen Witz kann eigentlich nur lachen, wer in seinem privilegierten Leben glaubt, dass alle Menschen, die keine auf dem Arbeitsmarkt gefragten Qualifikationen mitbringen, selbst schuld und wertlos – kurzum: Scheiße – sind. Zynischerweise sind die dabei mit gutem antirassistischen Gewissen verspotteten Berufsfelder freilich selbst in hohem Maße rassifiziert.

Demokratieverachtung

Wer die Unterschicht verachtet, verachtet letztlich auch die Demokratie, was sich ebenfalls im oben zitierten Twitter-Witz nachvollziehen lässt. Denn als nächstes beklagt sich der imaginäre Jammerlappen A darüber, dass „die Flüchtlinge“ „uns“ die Steuern wegnehmen, worauf B wie immer aufgeklärt und ruhig darauf hinweist, dass A ja selbst von Hartz-IV lebe. Da maßt sich doch glattweg jemand an, über die Verwendung von Steuergeldern entscheiden zu wollen, obwohl er selbst von Steuern lebt, anstatt sie zu zahlen, dieser Hartzer! (Natürlich zahlen auch Hartz-IV-Empfänger Steuern, aber halten wir uns nicht mit Kleinigkeiten auf.)

Diese Pointe setzt ein gehöriges Maß an Verachtung für Demokratie voraus. Denn demokratisch wäre es, dass alle volljährigen Staatsbürger_innen das gleiche Recht haben, über die Verwendung von Steuergeldern mitzuentscheiden – und das Grundgesetz sieht nichts anderes vor. Steuern sind gerade der Teil des Einkommens, über dessen Verwendung nicht die sie zahlenden Privatpersonen, sondern der Staat entscheidet – nach demokratischen Normen also alle Bürger_innen gleichermaßen. In der Realität wird diese Gleichheit freilich durch alle möglichen informellen Hürden außer Kraft gesetzt – aber das ist ein zu kritisierendes Demokratiedefizit und keine legitime Grundlage, um Menschen, die keine Steuern zahlen, das Recht abzusprechen, über die Verwendung von Steuergeldern mitzuentscheiden. Wer es doch tut, bewegt sich irgendwo zwischen preußischem Dreiklassenwahlrecht und Peter Sloterdijks „Revolution der gebenden Hand“.

Bildung, my ass!

Dann holt der Witz endlich zur finalen Pointe aus, und in der geht es – wie könnte es anders sein – um Bildung! Denn auf nichts legen diejenigen, die sich gegen die da unten distinguieren wollen, mehr wert, als auf ihre Bildung. Deshalb müssen diese Leute, die gegen Flüchtlinge sind, nicht nur arbeitslos, sondern auch ungebildet sein! Ich habe keine Ahnung, welches Verständnis von Bildung dabei nun unterstellt wird, aber anscheinend ist es keines, dass in einem Widerspruch zu Empathielosigkeit stünde.

Für diejenigen, denen das nun alles zu kompliziert war (so viele Zeilen über einen harmlosen Twitter-Witz, tss!), ganz kurz: Lacht und lästert so viel über Rechte wie Ihr wollt – auch über arbeitslose und ungebildete, hässliche und fette, schwule und weibliche Rechte. Aber lacht darüber, dass sie rechts sind, nicht darüber, dass sie arbeitslos oder ungebildet, hässlich oder fett, schwul oder weiblich sind.